DFG-Projekt: Grammatik in der Interaktion (GIDI)

„Grammatik in der Interaktion: Zur Realisierung fragmentarischer und komplexer Konstruktionen im gesprochenen Deutsch“

Projektzeitraum: 2006 bis 2008

____________________________________________________________________________________________________

Das Projekt verfolgt das Ziel, grammatische Strukturen in der „kommunikativen Praxis“ zu analysieren und die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchung in die Entwicklung einer Theorie der gesprochenen Sprache einmünden zu lassen. Hierfür soll eine Verknüpfung zwischen dem Konzept der „Konstruktion“ (im Sinne der „Construction Grammar“) und zentralen Aspekten einer an der Mündlichkeit orientierten, interaktional ausgerichteten Sprachbeschreibung (Prozesshaftigkeit, Dialogizität, Gattungs- bzw. Aktivitätsbezug) hergestellt werden. Eine solche Verbindung kann ein Licht darauf werfen, welche grammatischen Gestalten – in Kombination mit prosodischen Mustern und lexiko-semantischen Elementen – sich als sedimentierte Lösungen für welche kommunikativen Aufgaben in welchen Kontexten herausgebildet haben.

Auf der Grundlage von Gesprächsdaten aus informellen, institutionellen und medial vermittelten Kontexten gilt es folglich, empirische Analysen zu den formalen und funktionalen Charakteristika von Konstruktionen aus strukturell unterschiedlichen Konstruktionsklassen, die sich sowohl hinsichtlich ihrer syntaktischen Komplexität als auch ihrer Idiomatizität deutlich voneinander unterscheiden, durchzuführen. So sollen zum einen „Fragmentarische Konstruktionen“ am Beispiel von „Incredulity Response“- und „Infinit“-Konstruktionen untersucht werden, d.h. syntaktische Gestalten, die strukturell reduziert sind und die traditionelle Satzgrenze deutlich unterschreiten. Kontrastiv dazu werden „Komplexe Konstruktionen“ am Beispiel von „Clefts“ und „Pseudoclefts“ sowie „Apokoinu“-Konstruktionen, die sich durch eine bi-klausale und teilweise transphrastische Struktur auszeichnen, analysiert. Die Auswahl der Konstruktionstypen ist nicht zufällig, sondern unterliegt den Spezifika des methodologischen Rahmens und des Forschungsziels des Projekts.

Die Analyse der Konstruktionen erfolgt auf drei Ebenen:

  1. In Bezug auf die konkreten grammatischen Muster sollen die formalen (syntaktischen, prosodischen und ggf. lexikalischen) Charakteristika der unterschiedlichen Konstruktionen erarbeitet werden, wobei den projektiven Eigenschaften der jeweiligen syntaktischen Gestalt auf den verschiedenen sprachanalytischen Ebenen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.
  2. Die interaktionale Einbettung der betreffenden Konstruktionen soll hinsichtlich der sequentiellen Organisation, d.h. des Sprecherwechsel, der Rezipientenreaktionen etc. ermittelt werden.
  3. Darüber hinaus gilt es, Aspekte der gattungs- bzw. aktivitätsbezogenen Verwendung zu beleuchten, da viele Konstruktionen sich bei differenzierter Betrachtung als typische Merkmale spezifischer kommunikativer Aktivitäten oder Gattungen erweisen.

Anhand der Analyse fragmentarischer und komplexer Konstruktionen im gesprochenen Deutsch soll skizziert werden, wie eine Syntaxbeschreibung der gesprochenen Sprache aussehen kann, die auf deren spezifische Produktions- und Rezeptionsformen eingeht und sowohl interaktionale Momente als auch konstruktionelle Vorgaben und gattungs- bzw. aktivitätsbezogene Aspekte einbezieht.
Das Projekt intendiert somit, einen Beitrag zur Erarbeitung einer gebrauchsbasierten Theorie der Grammatik gesprochener Sprache zu leisten.

____________________________________________________________________________________________________

Veröffentlichungen
Monographien:

  • Imo, Wolfgang (2007): Construction Grammar und Gesprochene-Sprache-Forschung: Konstruktionen mit zehn matrixsatzfähigen Verben im gesprochenen Deutsch. Tübingen: Niemeyer.

Herausgaben:

  • Günthner, Susanne & Imo, Wolfgang (eds.) (2006): Konstruktionen in der Interaktion. Berlin: de Gruyter.
  • Günthner, Susanne/Jörg Bücker (Hrsg.) (2009): Grammatik im Gespräch: Konstruktionen der Selbst- und Fremdpositionierung. Berlin/New York: de Gruyter.

Aufsätze:

  • Günthner, Susanne (2005): Grammatical constructions in ‘real life practices’. Wo-constructions in everyday German. In: Hakulinen, Auli/Selting, Margret (Hg.): Syntax and Lexic in Conversation. Studies on the use of linguistic resources in talk-in-interaction. Amsterdam: Benjamins: 159-184.
  • Günthner, Susanne (2006a): Grammatische Analysen der kommunikativen Praxis – “Dichte Konstruktionen” in der Interaktion. In: Deppermann, Armulf/ Fiehler, Reinhard/ Spranz-Fogasy, Thomas (Hg.): Grammatik und Interaktion – Untersuchungen zum Zusammenhang von grammatischen Strukturen und Gesprächsprozessen. Radolfzell: Verlag für Gesprächsforschung: 95-122. http://www.verlag-gespraechsforschung.de.
  • Günthner, Susanne (2006b): “Von Konstruktionen zu kommunikativen Gattungen: Die Relevanz sedimentierter Muster für die Ausführung kommunikativer Aufgaben.” In: Deutsche Sprache 34(1-2): 173-190.
  • Günthner, Susanne (2006c): “‘Was ihn trieb, war vor allem Wanderlust’ (Hesse: Narziss und Goldmund) Pseudocleft-Konstruktionen im Deutschen”. In: Günthner, Susanne/Imo, Wolfgang (Hg.): Konstruktionen in der Interaktion. Berlin: de Gruyter. 59-90.
  • Günthner, Susanne (2007a): Zur Emergenz grammatischer Funktionen im Diskurs – wo-Konstruktionen in Alltagsinteraktionen. In: Hausendorf, Heiko (Hg.): Gespräch als Prozess. Tübingen: Narr Verlag.
  • Günthner, Susanne (2007b): Ansätze zur Erforschung der ‘kommunikativen Praxis’. Redewiedergabe in der Alltagskommunikation. In: Agel, Vilmos/Hennig, Mathilde: Gesprochene Sprache und Nähekommunikation in Theorie und Praxis. Tübingen: Niemeyer. 73-98
  • Günthner, Susanne (2008): Projektorkonstruktionen im Gespräch: Pseudoclefts, die Sache ist-Konstruktionen und Extrapositionen mit es. In: “Gesprächsforschung – Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion (9), 86-114.” (www.gespraechsforschung-ozs.de).
  • Imo, Wolfgang (2006a) “Zur Anwendung der Construction Grammar auf die gesprochene Sprache – der Fall ‘ich mein(e)’”. In: Hennig, Mathilde et al. (Hrsg.) Zugänge zur Grammatik der gesprochenen Sprache. Tübingen.
  • Imo, Wolfgang (2006b) “Da hat des kleine /glaub/ irgendwas angestellt” – ein /construct/ ohne /construction/?”. In: Günthner, Susanne und Wolfgang Imo (Hrsg.) Konstruktionen in der Interaktion. de Gruyter, Berlin.
  • Imo, Wolfgang (2007): Der Zwang zur Kategorienbildung: Probleme der Anwendung der Construction Grammar bei der Analyse gesprochener Sprache. In: Gesprächsforschung – Online Zeitschrift zur verbalen Interaktion (8), 22-45. (www.gespraechsforschung-ozs.de).
  • Bücker, Jörg (2009): Quotativ-Konstruktionen mit Motto als Ressourcen für Selbst- und Fremdpositionierungen. In: Susanne Günthner/Jörg Bücker (Hrsg.): Grammatik im Gespräch: Konstruktionen der Selbst- und Fremdpositionierung. Berlin/New York: de Gruyter, 215-247.
  • Günthner, Susanne (2009): „Adjektiv + dass-Satz“-Konstruktionen als kommunikative Ressourcen der Positionierung. In: Susanne Günthner/Jörg Bücker (Hrsg.): Grammatik im Gespräch: Konstruktionen der Selbst- und Fremdpositionierung. Berlin/New York: de Gruyter, 149-184.
  • Imo, Wolfgang (2009): Konstruktion oder Funktion? Erkenntnisprozessmarker („change-of-state-tokens“) im Deutschen. In: Susanne Günthner/Jörg Bücker (Hrsg.): Grammatik im Gespräch: Konstruktionen der Selbst- und Fremdpositionierung. Berlin/New York: de Gruyter, 57-86.

Tagungsberichte:

____________________________________________________________________________________________________
Projektleiterin:
Prof. Dr. Susanne Günthner

Wissenschaftliche MitarbeiterInnen:

Jörg Bücker und Sandra Dertenkötter

____________________________________________________________________________________________________